Drittmittelprojekte
Derzeitiges DFG-Projekt: Schillers „Die Räuber“ auf dem Theater des 20. Jahrhunderts im Spannungsfeld von Historizität und Aktualität (2022-2025)
Die Wirkungsgeschichte von Schillers Räubern auf dem deutschen Theater des 20. Jahrhunderts ist bislang noch nicht systematisch aufgearbeitet worden. Als ein Grund dafür lässt sich anführen, dass die meisten Quellen in Theatersammlungen und Archiven liegen und somit nur schwer zugänglich sind, wobei sich ein Großteil in der Berliner Akademie der Künste (AdK) befindet. Das geplante Projekt will diese Forschungslücke schließen.
Dazu soll erstens eine monographische Studie entstehen, die anhand paradigmatischer Räuber-Inszenierungen einen historischen Überblick über die Bühnengeschichte des Schiller’schen Dramas gibt. Dabei steht die Frage im Zentrum, wie die Theaterschaffenden auf inhaltlich-thematischer und theaterästhetischer Ebene mit dem Spannungsverhältnis zwischen der Historizität der literarischen Vorlage und der Aktualität der Aufführungssituation umgehen. Ferner werden die Aufführungen aus rezeptionsgeschichtlicher Perspektive analysiert, um zu klären, wie die Kritiker sie im Spannungsfeld von Historizität und Aktualität verorten, mithin, inwiefern sie sie als aktuelle Beiträge zu den politischen, soziokulturellen und/oder ästhetischen Debatten ihrer jeweiligen Zeit verstehen. Zuletzt werden die ausgewählten Bühnenwerke aus feldtheoretischer Perspektive untersucht und beleuchtet, wie sich die Regisseure mit ihren Inszenierungen im Theaterfeld ihrer jeweiligen Zeit positionieren. Indem die Bühnengeschichte der Räuber mit den entscheidenden Entwicklungen des Regietheaters im 20. Jahrhundert und den damit verbundenen Deutungs- und Geltungskämpfen der Theaterschaffenden verknüpft wird, rückt die zentrale, in der theaterhistorischen Forschung bis dato kaum untersuchte Frage nach dem Zusammenhang zwischen der ‚sozialen Ordnung‘ des Theaters und dessen ästhetischen Formen in den Blick.
Flankierend dazu sollen zweitens die Regiebücher der maßstabsetzenden Räuber-Inszenierungen Erwin Piscators aus den Jahren 1926 (Berlin) und 1957 (Mannheim), mit Erläuterungen und einem ausführlichen Nachwort versehen, erstmals publiziert und so der Forschung leichter zugänglich gemacht werden. Während die erste aufgrund radikaler Aktualisierungen die Debatte um den ‚Klassikertod‘ neu entfacht hat, wird die zweite in den zeitgenössischen Kritiken als weitgehend ‚werktreu‘ beschrieben. Anhand der beiden Inszenierungen lässt sich das für jede Klassiker-Aufführung konstitutive Spannungsverhältnis zwischen Historizität und Aktualität beispielhaft aufzeigen.
Abgeschlossenes DFG-Projekt: Historisieren. Bedeutung und Funktion des Kulturmusters für die Rezeption von Schillers Geschichtsdramen auf dem Theater (2011-2015)
Im Rahmen des Projekts ist folgende Studie entstanden:
Claudia Streim: Historisierende Bühnenpraxis im 19. Jahrhundert. Inszenierungen von Schillers Wallenstein zwischen 1798 und 1914 (Goethe, Iffland, Brühl, die Meininger, Reinhardt). Tübingen 2018.
Anhand von fünf exemplarisch gewählten Inszenierungen der Wallenstein-Trilogie Schillers untersucht die Studie systematisch, wie sich die historisierende Bühnenpraxis auf dem deutschen Theater des 19. Jahrhunderts durchgesetzt hat. Die Analyse stützt sich auf ein umfangreiches, bislang kaum ausgewertetes Text- und Bildmaterial. Sie zeigt, wie die Forderung nach historischer Treue immer mehr die Gestaltung von Kostümen und Bühnenbildern beeinflusst hat. Höhe- und Endpunkt dieser Entwicklung auf der Bühne markieren die Wallenstein-Inszenierungen der Meininger 1882 und Max Reinhardts 1914.